„Wir rudern leidenschaftlich gern“
Für die diesjährige (Alt-)Herren-Wanderfahrt auf der Rheinsberger Seenplatte waren alle neun Teilnehmer der Ruder-Wanderung durch das Westhavelland vom vergangenen Jahr wieder mit an Bord. Überdies konnten wir uns über unseren „Neuzugang“ Markus freuen, der somit die Besetzung der beiden Vierer mit Steuermann vervollständigte. Es waren also dabei: Wolfgang Beier, Hendrik Brandt, Dieter Fallenstein, Hans-Dieter Freytag, Dirk Fülling, Markus Görtz, Thomas Hake, Rainer Schindler, Carsten Schmidt und Klaus Weber.
Fünf Ruderkameraden reisten separat mit PKWs an, die ja bei einer Wanderfahrt für die tägliche Logistik unentbehrlich sind. Die anderen fünf mit unserem Bootswagen – stolzes Kennzeichen: DO-RC 29. Es galt, die fast 600 Kilometer bis zu unserem Standort Strasen in Mecklenburg-Vorpommern zu bewältigen. Dies gelang problemlos, auch dem Bootswagen. Denn Rainer durfte in überlegener Fahrweise – nennen wir sie „recht couragiert“ – den Wagen ohne Hänger so richtig ausfahren. Zum ersten Mal nämlich hatte Klaus, unser Fahrtenleiter, die Idee verwirklicht, Leihboote zu mieten – eine echte Erleichterung.
Am frühen Nachmittag schon saßen wir zufrieden im Bier- und Kaffeegarten unseres allseitig vom Wasser umgebenen Hotels „Zum Löwen“, direkt am Havelkanal neben der Schleuse in Strasen (= Luftlinie nur ca. ein Kilometer nördlich der Landesgrenze zu Brandenburg). Doch dann musste Klaus uns mitteilen, dass nicht alles stimmig war. Zum einen würde sich Dirk auf ärztliches Anraten schonen müssen und weder rudern noch steuern, zum anderen war für die kommenden drei Rudertage die Wetterprognose eigentlich nur schlecht.
Klaus überlegte, wie wir wegen des Wetters und Unterbesetzung die drei Ruderetappen verkürzen bzw. flexibler gestalten könnten. Man entschied sich dafür, nach Empfangnahme der beiden Leihboote beim Ruderverein Zechlin am ersten Tag bis zu unserem Hotel in Strasen zu rudern, wo man die Boote (mit etwas Mühe) unmittelbar neben dem Biergarten festmachen kann. Bequem konnten wir dann am zweiten Rudertag nach dem Frühstück die Strecke bis zum Schloss und dem Ruderverein in Rheinsberg zurücklegen und dort die Boote unterbringen für den dritten Tag Rudern zurück zum RV Zechlin.
Das bedeutete: drei etwa gleich lange Strecken von etwa 18 bis 20 Kilometern und mit wenig Schleusen. Ein weiterer Vorteil: Jeweils nach halber Strecke konnten wir an einem Sandstrand zur Mittagspause anlegen, neben der Sportler-Raststätte ,,Zum Achter“ – erbaut an der Stelle eines alten Bootshauses. Alles in allem erwies sich das Streckenverkürzen als weise Entscheidung. Denn es galt Dauerregen wie Platzregen abzuwarten und an der schon berüchtigten Selbstbedienungsschleuse „Wolfsbruch“ verloren wir einmal ganze zwei Stunden.
Und am letzten Rudertag wurde das Wetterglück durch die ausgedehnte Mittagspause zu sehr herausgefordert. Als wir endlich ablegten, sahen wir fern über dem Horizont schwarze Gewitterwolken entstehen und bald hörten wir auch schon schwache Donnerschläge. Nun galt es, uns und die Boote die letzten Kilometer sicher zurück zum RV Zechlin zu rudern. Tout malheur a quelque chose de bon (= alles Unglück hat auch etwas Gutes), denn die jüngeren sportlichen Herren unter uns durften so richtig durchziehen, eben mal keine Wellness-Etappe. Rechtzeitig und vor dem Unwetter wurden die Boote sogar noch gesäubert und zur Zufriedenheit aller zurückgegeben.
Übrigens waren beide Boote mit den schweren Holzskulls schon hochbetagt und wir haben wieder unser Material bei Germania schätzen gelernt (zum Beispiel die so leichten „Boxer“-Kohlefaser-Skulls!), doch dafür trägt das Boot „Stralau“ den Namen einer Halbinsel im Berliner Ortsteil Friedrichshain und die „Urania“ (griech.) den Beinamen der Aphrodite, der Himmlischen…
Aber wir hatten auch viele Stunden mit durchaus günstigem Ruderwetter, um die einzigartige Wasserlandschaft zu genießen. Dies vor allem beim stillen Durchfahren der sog. Havelkanäle, deren Uferzonen dicht bewaldet sind und an flachen Wasserstellen voll gelber Teich- und weißer Seerosen. Fast möchte man dann zum Augenblick mit Goethe sagen: Verweile doch, Du bist so schön. Nur: Unsere Boote blieben dafür zu selten allein. Diese Seenlandehaft ist beliebtes innerdeutsches Reisegebiet für Wassersportler auch außerhalb der Sommersaison. Und Touristen mit Haus- oder Motorbooten trifft man immer häufiger. Touristen mit Motor eben, die Ruderboote nicht wertschätzen, und im schlimmsten Fall, ohne Geschwindigkeit herauszunehmen, ein, zwei Wellen ins Boot schaufeln, sodass der Verfasser dieser Zeilen als Steuermann einmal bis über die Hüfte durchnässt wurde.
Die einzigartige Landschaft ist auch eine Kulturlandschaft. So legt man nach dem Überqueren zweier großer Seen hin zum märkischen Rheinsberg mit dem Schloss Friedrichs des Großen nicht sofort am Bootssteg des Rudervereins an, nein, man macht einen zusätzlichen Schlenker, um in Ruhe die Schlossansicht von der Wasserseite aus zu genießen. Kurt Tucholsky hat mit seinem so unbeschwerten und erfolgreichen Buch Rheinsberg dem malerischen Ort ein weiteres Denkmal geschenkt. Auch hier macht das junge Liebespaar eine Bootstour auf dem See, um die Schönheit des Schlosses vom Wasser aus sehen zu können.
Kultur kam nicht zu kurz, zumindest nicht die Esskultur. Frühstücks- und Abendbuffet in unserem so idyllisch gelegenen Hotel waren kaum zu überbieten – allein die Reichhaltigkeit! Trotzdem sorgte Dirk für einen weiteren die Kochkunst bezüglichen Höhepunkt und ließ im nahe gelegenen Canow für uns den Zehnertisch reservieren. Spezialität: frische Fischgerichte, gegrillt.
Wir wurden verwöhnt, auch wenn wir am Rückreisetag durch Stau und Umleitung noch einmal gefordert wurden. – Alles ging gut und wir möchten hiermit Planung wie auch Durchführung unserer rund 60 Kilometer langen Ruderwanderfahrt uneingeschränkt die Note sehr gut geben.
Somit wurde selbstverständlich auch schon die Fahrt für das nächste Jahr angedacht. Wahrscheinlich nicht ganz so weit entfernt auf einem näher gelegenen Fluss…
Bleiben wir also in Form, um dann hoffentlich auch die nächste Ruderwanderfahrt in alter Frische anzugehen.
„Denn wir rudern gern leidenschaftlich.“
Dieter Fallenstein/Fotos: W. Beier