Oberweserbergland und Herren-Ruderwanderfahrt vom 6. bis 10. Juni 2018
Die bemerkenswerte Fülle von Schlössern, Herrensitzen, Rat- und Bürgerhäusern an der Oberweser – bis heute in weitgehend unveränderter Form erhalten und mit dem Begriff ‚Weserrenaissance‘ gekennzeichnet – , dies war für die Herren des RC Germania natürlich nicht alleiniger Grund, sich in diesem Jahr nochmals für eine Wanderfahrt auf der Weser zu entscheiden. Auch nicht die Aussicht, das schöne Oberweserbergland mit den ausgedehnten Auen und Wäldern vom Wasser aus zu genießen. Weit überzeugender für unsere diesjährige Entscheidung waren die Argumente : die Weser hat von Hann.-Münden bis Hameln keine Staustufe und eine Strömungsgeschwindigkeit von ca. 6 km/h, mit der man pro Tag durchaus 40 Kilometer bewältigen kann, es gibt hier kaum Caravan-Plätze und Wasser-Tourismus, die Ufer sind backbord wie steuerbord weitgehend und wohltuend naturbelassen.
Und die Anfahrt von Dortmund ist relativ kurz, zumindest im Vergleich zu den vorherigen Fahrten zu Havel und Elbe.
Zugegeben, Weinberge wie an Main und Mosel fanden wir an der Weser nicht, den entsprechenden Wein jedoch für die Mittagspause hatten wir immer an Bord, soz. ‚gebunkert‘. Selbst unser Weinexperte und Mundschenk Bernd aus der Pfalz konnte die Vorzüge der Oberweser nur loben.
weitere Fotos von der Wanderfahrt
Als Standquartier hatte Alles-Organisator Klaus wieder das Hotel ‚Stadt Bremen‘ in Beverungen ausgesucht, der westfälischen Stadt an Bever und Weser, ‚lieblich‘ mit ausgedehnten Wiesen an den Fluss ‚geschmiegt‘.
Zwar laut an der Hauptstraße gelegen, verfügt aber das großzügige Hotel über einen originellen Biergarten : aus einem dort abgestellten Staßenbahnwagon erfolgt freundlich der Ausschank der Getränke und der ‚service‘ der Speisen auf nicht zu überhörendes Hup-Zeichen aus der Hotelküche.
Dies war auch unser Treffpunkt am Anreisetag. Die Bootswagenbesatzung mit Karl Hans Reiter, Wolfgang Beier, Otto Kassel, Dieter Fallenstein aus Dortmund und Klaus Weber aus Soest waren schon angekommen, als nacheinander Hans-Dieter Freytag, Dirk Fülling, Rainer Schindler und Thomas Hake aus Dortmund, Bernd Guntermann aus der Pfalz und Carsten Schmidt aus Brandenburg eintrafen. Das Wiedersehen – für einige Ruderkameraden erst nach einem langen Jahr seit der letzten Wanderfahrt – fiel mehr als herzlich aus, was den Autor dieser Zeilen durchaus berührte, für ihn genauso wichtig und fast so schön wie das Rudern selbst.
Eine über viele Jahre gewachsene Rudergemeinschaft !
Als dann am nächsten Tag die beiden Vierer-Boote pünktlich zur ersten Etappe über 44 Kilometer vom Steg in Reinhardshagen ablegten, konnten die Bedingungen für eine Ruderwanderfahrt einfach nicht besser sein. Mit leichtem Schiebewind und in lauer Sommerluft glitten wir dahin, den grünen Reinhardswald immer in Sichtweite und – es herrschte Stille … Keine Autobahn, kein Rasenmäher, nur das leise Rauschen der Boote und vielleicht der ferne zweisilbige Kuckucks-Ruf.
Eine ‚lauschige‘ Ruhe. Sie wird wohl in schon naher Zukunft für den Menschen eines der wertvollsten Güter werden.
Das Oberweserbergland im Sommersonnenschein scheut nicht den Vergleich mit schönsten Landschaften ‚weltweit‘ – auch wenn der, der dies so subjektiv behauptet, aus dem Weserland stammt. Für ihn jedenfalls war dieser Rudertag heute ein nicht nur gut gelungener.
Und eigentlich ging es am nächsten Tag von Beverungen nach Polle genauso weiter. Von weitem grüßte uns das auf einem steil abfallenden Vorsprung des Sollings malerisch gelegene Renaissance-Schloss Fürstenberg (Porzellanmanufaktur) und wenige Kilometer flussabwärts ruderten wir vorbei am mittelalterlichen Höxter und dem östlich davon gelegenen Kulturerbe Corvey. Wir nahmen uns sogar Zeit und Muße Friedrich Wilhelm Weber und Wilhelm Raabe zu erwähnen, die dieser Region im 19. Jahrhundert mit „Dreizehnlinden“ bzw. „Höxter und Corvey“ literarisch ein Denkmal gesetzt haben. – Zur Sicherheit allerdings musste darauf hingewiesen werden, dass weder Weber Klaus noch Raabe Max als Vornamen trugen.
Aber dann während der wohlverdienten Mittagspause beim RC Holzminden in der Ferne erstes Gewittergrollen. Leider in Richtung unserer Ruderroute ballten sich vor den, „Ith-Hills“ schwarze Wolken und hinter finsterem Regen zuckten erste Blitze.
Klug beraten warteten wir ab und dehnten die Pause über Gebühr aus. Wohl nicht lange genug. Denn auf den wenigen noch zurückzulegenden Kilometern bis zum Steg am Campingplatz Polle überraschte uns doch der Rest an Gewitterregen und wir wurden nass bis auf die Haut. Nebenbei sogar eine Abkühlung bei der Schwüle und tröstlich war auch, dass gleichzeitig mit uns und ebenso ‚durchtränkt‘ wie wir, in mehreren Booten Ruderkameraden und -kameradinnen des Rudervereins Dresden anlegten. Auch am nächsten Tag trafen wir sie und es fiel wieder auf, mit welch‘ großer Freundlichkeit man sich begegnete, wie hilfsbereit man war. Die Wanderruderer, wirklich eine große Familie !
Als besondere Dreingabe war mit den Dresdener Freunden Dieter Grahn, Ruderweltmeister und Olympiasieger und mehrere Jahre auch Bundestrainer am Stützpunkt in Dortmund. Einige von uns kennen ihn persönlich und auch er freute sich, die ‚Blauhemden‘, wie er sagte, wiederzusehen.
Den letzten Rudertag begannen wir in guter, gereinigter Luft, aber es wurde heiß und schwül und ab Nachmittag war wieder Gewitterregen angesagt. Also, wir ruderten gemütlich nur noch bis Bodenwerder und nicht wie vorgesehen die 20 km weiter bis Hameln:
„ und so verzichteten wir weise
auf den letzten Teil der Reise „ .
Ohne Zeitdruck wurden die Boote verladen und es blieb auch noch ausreichend freie Zeit, mit passendem Wein auf eine wieder gelungene und glücklich verlaufene Ruderfahrt anzustoßen. ‚Passend‘ durchaus, denn wir kosteten den Bacchus-Bocksbeutel aus Randersacker, wo wir bei der letzten Main-Fahrt unsere Unterkunft hatten und wo einmal Wolfgang, Hans-Dieter und Carsten einen Sieg bei der Bocksbeutel-Regatta herausgefahren hatten !
Für den letzten Abend hatte Klaus als besonderen Höhepunkt vor ‚unserer‘ Straßenbahn auf langem Tisch ein Grill-Buffet bestellt, das dann so schmackhaft und reichhaltig ausfiel und wo uns so oft Schwein und Kasseler nachgereicht wurde, dass wir ohne zu wollen vom ‚gourmet‘ zum ‚gourmand‘ mutierten, soz. kurzfristig vom ‚Feinschmecker‘ zum ‚Gefräßigen‘ wurden.
Wie gesagt, ein weiterer Höhepunkt, schade dass Thomas aus dienstlichen Gründen morgens schon abreisen musste.
Ein letzter, ganz anderer Höhepunkt erwartete uns am Abreisetag. Klaus hatte eben auch für ein Kulturprogramm gesorgt und eine kompetente Führung durch das „Weltkulturerbe Corvey“ bestellt. Karl der Große, Ludwig der Fromme wurden uns nahegebracht, die barocke Abteikirche wurde besichtigt, das Westwerk mit karolingischer Wandmalerei erklärt, wir gingen in den Kaisersaal und die Bibliothek, hörten von Hoffmann von Fallersleben …
Hoffentlich zwei kurzweilige Stunden und es war für jeden etwas dabei.
Auf alle Fälle war es der würdige Abschluss einer wieder außergewöhnlichen Ruderwanderfahrt.
Beim Abschied konnte man von dem einen oder anderen hören, er habe durchaus nichts dagegen, nächstes Jahr erneut auf der Weser zu rudern, vielleicht verbunden mit einer Etappe auf der Fulda.
Doch wir wollen nicht vorgreifen oder gar vorzeitig entscheiden, zumindest nicht wir älteren ‚Alten Herren‘.
Uns ziemt es eher, die Zukunft abzuwarten und zu hoffen,
> attendre et espérer > !
Dieter Fallenstein