Bericht von der Wanderfahrt auf der Havel
Dass hier Dargestelltes nicht nur in der Theorie gut klingen, sondern von der Praxis sogar noch übertroffen werden kann, das werden sicherlich ein Dutzend ‚Ruderrecken‘ des RC Germania bezeugen. °
Denn gerade kehren wir von der mehr als gelungenen Ruderwanderfahrt nach Brandenburg und ins schöne Havelland zurück und man ist nachgerade stolz und dankbar, diese „abenteuerliche“ Fahrt, eine wirkliche Sport- und Erlebnisreise, gemeinsam gemeistert zu haben.
Los ging es mit dem Einsetzen am Steg des noblen ‚Ruderclub am Wannsee‘ und den ersten 15 km bei herrlichem Sommerwetter hin zur geschichtsträchtigen Glienicker Brücke. Auf backbord wie auf steuerbord sahen wir an den gepflegten Ufern eine prächtiger gelegene Villa nach der anderen, eher kleine Schlösser – jedenfalls keine Sozialwohnungen .. Und nach der Brückenunterquerung für einige hundert Meter der ungewohnte Blick vom Wasser aus auf die Silhouette der Hauptstadt Potsdam mit der das Sonnenlicht reflektierenden Kuppel der Nikolaikirche !
Alles bestens und so ignorierte man zunächst die im Westen aufkommende Wetterfront, bis plötzlich über uns wahrhaft giftige Gewitterwolken standen und wir gerade noch Zeit fanden, uns vor Ausbruch des Unwetters an Land bzw. unter eine schmale Brücke zu retten.
Selten haben wir solchen Sturm, Blitz, Donner und sintflutartigen Regen erlebt und solch Inferno so ‚hautnah‘ beobachten können.
Nach einer halben Stunde mit Enterhaken Festklammern an der Brückenwand durften wir Gott sei Dank wieder rudern. Durch den gleichzeitig erfolgten Temperatursturz fing nämlich die Kälte an, uns einzunehmen. – Wir erreichten noch wie vorgesehen das Etappenziel.
Doch diesem ersten Abenteuer folgte gleich am nächsten Tag das zweite, größere.
Nach Westen hin, in Richtung Brandenburg, erweitert sich die Havel zu mehreren, einigen schon größeren Seen. Wir hatten Gegenwind – und was für welchen ! – , allerdings braucht man beim Rudern richtigerweise Schiebewind. Heftig blies der Sturm den Steuerleuten ins Gesicht, die Schaumkronen wurden deutlicher und die Wellen immer höher, einige schwappten schon über ..
Abbrechen war angesagt, aber wo an Land gehen !? Kein Steg, keine Anlegemöglich- keit in Sicht. Überall naturbelassene Uferböschungen.
Unsere Lage wurde bedenklich, wenn nicht sogar gefährlich, da tauchte backbord eine kleine Sommerhaussiedlung auf, ehemalige DDR-Datschen. Das war die Rettung. Zwar auch hier kein Anlegesteg, aber irgendwie alle zwölf knietief durchs Wasser watend wurde Mensch und Material rechtzeitig und sicher an Land gebracht.
Beim Ausleeren der Boote zappelte da sogar ein kleiner Fisch, der mit einer Welle an Bord gespült worden war. Unglaublich, aber es gibt dafür Zeugen (= Fotos!) ; hätten wir die nicht, wäre das Fischchen nicht nur knapp 10 cm lang, sondern mehr als doppelt so groß. –
Um das gesamte Ausmaß dieser Etappe zu ermessen : nach über drei Stunden härtester Ruderarbeit hatten die Kameraden gerade einmal knapp 10 km geschafft ..
Und wie sollten wir von hier aus zu unseren Autos gelangen ?
Nun sage nie wieder jemand etwas gegen unsere Mitbürger in den neuen Bundes- ländern. Ein Bewohner der Siedlung hatte unsere prekäre Lage sofort erkannt, bot von selbst Hilfe an und brachte unsere drei Fahrer zu ihren Autos.
Eine Stunde später schon fuhren wir an diesem schweren Tag, hoch zufrieden, auch dieses Abenteuer glücklich überstanden zu haben, zum wohlverdienten Duschen nach Brandenburg ins Quartier.
In Abänderung des Routenplans konnten wir dann am letzten Rudertag gemütlich die Reststrecke bis zum ‚Ruderclub Havel‘ in Brandenburg zurücklegen. Nachmittags sogar mit einer freiwilligen Zugabe von ca. 10 km Rudern durch und um die Stadt, um noch einmal Baudenkmäler und beiderseits der Havel nahe am Wasser gelegene (Ferien-) Häuser zu begutachten.
Tout malheur a quelque chose de bon
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Dieses franz. Sprichwort bewies seinen Wahrheitsgehalt nach Abbruch der ‚Sturmfahrt‘ dadurch, dass uns nur so ausreichend Zeit geblieben war, pünktlich den engagierten Stadtführer zu begrüßen, ihn in aller Ruhe zwei Stunden lang durch die über 1000-jährige Stadt Brandenburg zu begleiten und seinen profunden historischen wie auch humorvoll anekdotischen Ausführungen zur Geschichte und Kultur der Alt- wie Neustadt zu folgen.
Allein, ‚auf eigene Faust‘, hätte man allenfalls einen Bruchteil der Sehenswürdig- keiten entdeckt. Letztendlich hätten wir ohne ihn auch nicht das Restaurant „Werft“ aufgetan : ein weiterer Höhepunkt unserer Ruderwanderfahrt !
Hier trifft der ursprüngliche Charakter einer Werfthalle auf modernes Restaurant-Design. Trotz wahrer Ess- und Trinkfluchten zeigt der Gastraum sich dennoch in ein-
ladender Atmosphäre, mit Blick auf die Havel und einen Teil der Brandenburger Altstadt. – Ja, sozusagen als Krönung, war da unter der fast zehn Meter hohen Decke kunstvoll ein ausgedienter Riemenachter installiert. Darunter war unser Platz, den Tisch reservierten wir für unser Abschiedsessen am letzten Abend.
Nach Abendessen einmal auf ‚brandenburgisch‘ im „Kartoffelkäfer“, dann beim Italiener, danach beim Griechen, genossen wir hier die den Räumlichkeiten entsprechende ‚gehobene‘ Gastronomie.
Ein würdiger Abschluss, gut gelungen wie die gesamte Wanderfahrt.
Alle trugen zu diesem Gelingen bei, gemeinsam haben wir geabenteuert und gerade dadurch hat jeder von uns zwölf .. elf ‚alte‘ Ruderkameraden ‚neu‘ wiedergewonnen.
Wie recht doch schon im frühen 18. Jahrhundert der franz. Moralist Vauvenargues hatte, mit der tiefgründigen Maxime : die Gaben der Natur und des Glücks sind nicht so selten wie die Kunst, sie zu genießen !
In dieser Kunst wollen wir uns auch weiterhin üben.
Es heißt ja ganz richtig : nach der Wanderfahrt ist vor der nächsten…
Unsere Planungsexperten sind sich schon wieder einig, die Organisation steht so gut wie, die Anmeldung läuft :
Ab 6. 6. 2018 soll es an und auf die Weser gehen, von Reinhardshagen über Höxter und das Weltkulturerbe Corvey bis nach Hameln, mit dem Standquartier ‚Hotel Stadt Bremen‘ in Beverungen.
Im Alter von Ü18 bis U90 sind alle Männer des RC Germania dazu aufgerufen …
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° Wolfgang Beier, Dieter Fallenstein, Hans Dieter Freytag, Dirk Fülling, Bernd Guntermann, Thomas Hake, Otto Kassel, Karl Hans Reiter, Reiner Schindler, Carsten Schmidt, Bruno Siedlaczek, Klaus Weber
°° Alles Übel hat auch etwas Gutes